Carola Moosbach

Laudatio

Preis des FrauenKirchenKalenders für Gottespoetinnen:
Laudatio von Dorothee Sölle für Carola Moosbach
Anlässlich der Preisverleihung am 2. Juni 2000 in Hamburg.


Liebe Carola Moosbach,

wie kann ich Gott loben, ohne zu lügen? Wie kann ich auf eine Weise zu, von und über Gott sprechen, die wahrhaftig ist? Das ist eine Frage, zu der ich immer wieder zurückkehre.

Als ich 1960 nach Israel fuhr, besuchte ich den großen jüdischen Philosophen Martin Buber. Ich hatte mich als "Theologin" angemeldet. Das Gespräch begann zunächst gar nicht, da Buber schwieg. Nach langem Schweigen sagte er: "Theo-logie wie machen Sie das eigentlich? Es gibt doch keinen Logos von Theos!" Passen denn Logos und Gott zusammen? Es gibt die Geologie und andere -logien, aber Gott ist nicht Gegenstand einer Lehre, einer Wissenschaft - Gott lebt in der Beziehung, ja wir können sagen:
Gott ist Beziehung.

Gott läßt sich nicht in ein Lehrgebäude dogmatisch richtiger Sätze einsperren. Diese alten Kathedralen des Glaubens zerfallen heute vor unseren Augen.

Gott will erzählt werden, so wie es in der jüdischen Tradition seit langem geschieht. Theopoesie, Gottespoesie – auf diese Weise können wir von den Erfahrungen mit Gott sprechen. Statt Gott beweisen zu wollen, sagen wir mit der amerikanischen Prozesstheologie: "God happens", Gott kommt vor, letzten Dienstagnachmittag tauchte er plötzlich auf...

Dieses Erzählen von Gott, dieses "Gott loben, ohne zu lügen", das können wir von Carola Moosbach lernen.

Beziehungsweise

Ich hatte Dich schon längst abgeschrieben
Kinderglaube Fromme-Leute-Geschwätz
wer rechnet schon heute noch ernsthaft mit Dir
Du unwahrscheinlichste aller Möglichkeiten

Und jetzt bist Du da ich verstehe es nicht
was es bedeutet wie kann das denn sein
vom Suchen zum Bitten zum Gefundenwerden
wie hast du das nur gemacht Gott
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Ich habe Angst Du kommst mir zu nahe
mit dem Vertrauen bin ich noch nicht vertraut
und wenn Du Dich plötzlich in Luft auflöst
dann stehe ich da und brauche Dich doch

Puste meine Angst weg Gott
und laß sie trotzdem da sein
schenk mir Deine Nähe Gott
und laß mich trotzdem zweifeln

Gott loben, ohne zu lügen...
Es ist eine redliche, wahrhaftige Sprache, die Carola Moosbach hier spricht, eine Sprache, von der wir alle mehr brauchen.
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Komm nah hilf mir glauben Du Allknüpferin
daß Du mich brauchst und gewollt hast vermißt
und mich hörst auch schon damals
Komm nah hilf mir sprechen Du Allbergende
Verbindung wird aufgenommen

Der letzte Satz dieses Gedichtes ist fasst eine technische Anweisung. Diese Nüchternheit tut wohl!
Nicht Gehorsam ist die wichtigste Tugend sondern Vertrauen können.
Dafür brauchen wir eine andere Beziehung zu Gott: Gott ist für uns, nicht für sich. Auch Gott braucht uns. Jede wirkliche Liebe ist gegenseitig, das ist eine Erkenntnis feministischer Theologie, ist ein Geben und Nehmen. Wenn den Kindern erzählt wird: Gott liebt dich, Gott beschützt dich, Gott wärmt dich, bin ich völlig damit einverstanden. Aber genauso wichtig wäre es, ihnen zu sagen: Gott braucht dich, du kannst Gott wärmen. Ihm ist es auch manchmal kalt hier.
Im 1. Johannesbrief heißt es: Gott ist Liebe und wer in der Liebe bleibt, der bleibt in Gott und Gott in ihm.

Götzenbilder
sich selbst genügender Herrengott
freundlich gestrenger Patriarch
geschaffen nach weißem männlichen Bilde
verdunkelte Wahrheit Selbstvergötzung
eingesperrt und in Stücke geschnitten
gefangen im goldenen Himmelskäfig
gefüttert mit Blut und Juwelen

Lügengeschichten in Deinem Namen
von oben und unten Haupt und Gliedern
göttliche Ordnung befehlen gehorchen
die Erde den Herren untertan

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Dies ist ein bitterer Text, der die falsche Theologie entlarvt, die nur von der Hälfte der Menschheit formuliert wurde. Heute sehen wir klarer, dass dies der Theologie nicht gut bekommen ist. Die feministische Theologie, die es erst seit etwa 30 Jahren gibt, ist daher dringend nötig.

In ihrem Gebet "Vermißt" schreibt Carola Moosbach in der letzten Zeile:
Erbarme Dich fehle mir
"Gott fehle mir", diese Bitte hat mich sehr berührt. Es könnte ein erster Schritt für viele Menschen sein, Gott wenigstens zu vermissen. Dabei ist es allerdings unsinnig, sich ein bestimmtes Bild von Gott zu machen.
Kein Bild viele Bilder
zerstöre die Bilder und schenke sie Gott
sei strömende Sprache und heilsames Schweigen

Es gibt immer wieder mystische Elemente in den Texten von Carola Moosbach. Vielen ihrer Texte gelingt es, ein ganz besonderes, mystisches Schweigen herzustellen. Und das ist das größte Lob, das man über Poesie überhaupt sagen kann.

Dorothee Sölle